Freitag, 9. März 2012

Spielregeln... Teil 2 – die Cortina

Die Freiluftmilonga im chinesischen Viertel von Buenos Aires hat einen speziellen DJ.

“Wenn er verliebt ist, macht er gute Musik” – hatte man mir gesagt. “Wenn er sich gerade getrennt hat, kann es schrecklich werden...”

Manche meiner Freunde gehen hin und warten ein paar Tandas ab um herauszuspüren, ob der DJ gerade gut gelaunt ist, oder nicht. Es ist witzig – denn es scheint wirklich so zu sein – und gut gelaunte Abende in der Glorieta sind herrlich. Nun, ob gut gelaunt oder nicht, es kommt immer der Moment, da ärgert er sich DJ beträchtlich und ruft durchs Mikrofon:

“Tanzfläche verlassen! Bitte, verlasst alle die Tanzfläche! Wir machen erst weiter, wenn alle die Tanzfläche verlassen haben.”

Das kann er tun. In Europa geht das nicht – er würde die Gäste verärgern. Aber es gibt DJs die andere, wirkungsvolle Methoden erfunden haben, damit die Tänzer in der Pause von der Tanzfläche weggehen.

“Ich suche eine Cortina aus die nicht  - also wirklich nicht – tanzbar ist und lasse sie so lange klingen” – erzählte mir ein Argentinier, der in Genf wohnt – “bis alle von der Tanzfläche weg sind. Ich warte seelenruhig. So lange, wie es braucht. Tanzmusik gibt es erst wieder, wenn alles frei ist. Das funktioniert! Na ja, überall auf der Welt, nur nicht in Zürich.”

Ich schaute ihn erstaunt an: “Wieso denn nicht?”

“Tja” fuhr er fort und schmunzelte. “Manche fangen an, die Cortina zu tanzen. Auch wenn es die Jahreszeiten von Vivaldi sind.”

Wieso ist es so wichtig, dass die Tänzer das Parkett verlassen, sobald die Cortina – die Pausenmusik – ertönt? Sogar dann, wenn sie unbedingt mit dem gleichen Partner weiter tanzen wollen? Ganz einfach: Wenn die Tanzfläche voll ist, haben jene, die sitzen, keine Chance auf Blickkontakt mit denen, die woanders sitzen. Oder stehen. Ohne leere Tanzfläche funktioniert der Cabeceo nicht. Das ist ärgerlich. Man kann es verhindern, indem man kurz weggeht. Auch wenn man mit dem gleichen weitertanzen will. Aber... wieso weiter tanzen?

Es kommt in vielen mitteleuropäischen Städten vor, dass man viele, viele Tandas nacheinander mit dem gleichen Partner tanzt. Ich verstehe nicht wieso. Weil es besonders schön war? Dann ist es doch angenehmer, wenn es etwas Besonderes bleibt. Wenn man das Vergnügen mit der Tanda beendet, so, dass man sich auf später oder auf ein anders Mal freut. Weil man üben will? Dann trifft man sich doch in einer Practica oder zum gemeinsamen Training.

Mir wurde es zum Anfang meiner Tango Zeit klar und deutlich eingebläut: Wenn du mehr als eine Tanda tanzt, heisst es, du willst etwas von dem Typen. Es brauchte eine oder zwei Eifersuchtsszenen beiderseits, danach war das korrekte Verhalten im Blut. Heute geht es nicht mehr um korrekt oder nicht, es ist einfach so, es macht Spass so. Nach einer beendeten Tanda eine weitere zu tanzen wäre es, wie wenn man mit jemandem einen Kaffe trinken gehen würde, mit dem man gerade einen Kaffe getrunken hat. Sinnlos.

Ein Freund – jener, der nur mit Cabeceo auffordert, auch wenn die Frauen nicht gewohnt sich, zu schauen, hat mir frustriert erzählt:

“Ich komme meist erst spät in die Milonga. Dann kann ich nicht tanzen, weil alle schon einen Partner haben und stundenlang weitermachen. Wenn ich es endlich schaffe, eine Frau einzuladen, ist sie beleidigt, weil ich nur vier Tangos tanze und mich dann bedanke. Dabei tue ich es aus Respekt. Für sie. Und sie versteht das nicht.”

1 Kommentar:

  1. Das schlimme ist das ich trotz den vielen Kursen, die ich gemacht habe von diesen Regeln nichts gewusst habe. Erst durch verschiedene Blogs lerne ich was sich gehört und was nicht. Und ich muss ehrlich dazu sagen dass ich es genossen habe wenn ein guter Tänzer mit mir länger als eine Tanda getanzt hat.

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